Dressing Up! Einen Gang zulegen
So wird aus dem lässigen Casual-Outfit ein Hingucker
Kleiderordnungen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Der Anzug ist außerhalb der Geschäftsbezirke fast aus dem Straßenbild verschwunden, da werden unbekümmert braune Schuhe in der Stadt getragen (sieht ja auch smart aus...), und die ach so „rebellischen, asozialen, vollkommen untragbaren, pseudomodischen, ungepflegten und auch sonst vollkommen unakzeptablen“ (Originalton mancher Herrenmodefetischisten) dunkelblauen Jeans sind längst unverzichtbarer Bestandteil der Alltagsgarderobe geworden.
Am stärksten dürfte sich die schwindende Trennung der Lebensbereiche von Beruf und Privatleben ausgewirkt haben. Wer beruflich stets im dunklen Anzug mit weißem Hemd und konservativer Krawatte auflaufen muss, mag sich vielleicht am Wochenende lieber in bequeme Sportkleidung werfen. Bei jenen, die das nicht müssen, pendelt sich die Alltagskleidung irgendwo zwischen Beruf und Freizeit ein. Business Casual – locker genug, um nicht aufgebrezelt zu erscheinen, seriös genug, um damit zur Arbeit zu gehen – und hinterher in der Kneipe trotzdem nicht aus dem Rahmen zu fallen.
Wer in dieser modischen Umbruchsphase den klassischen Anzug eher als spießig empfindet, lässt ihn eben weg, oder besser noch, lockert ihn ein wenig auf. Das offene Hemd unterm dunklen Anzug ist abends im Theater oder beim Nobelitaliener längst gesellschaftsfähig geworden. Und Sie wären überrascht, was für eine gute Figur ein leichter Blazer vor allem im Sommer über einem farbenfrohen T-Shirt machen kann. Dieses „Dressing Down“, die Kunst, förmliche Garderobe weniger förmlich zu machen, ist ein Trend, dem die Ratgeberliteratur inzwischen ganze Bibliotheken widmet. Kein Wunder, gehen diese Bücher doch oft genug immer noch vom klassischen Gentleman aus, der ausschließlich Maßanzüge im Schrank hat. Die als Freizeitoutfit zu tragen, ohne aufzufallen, ist wirklich eine Kunst für sich.
Doch noch spannender ist es oft, nicht ein förmliches Outfit zu entschärfen, sondern mit feinen Details ein Casual-Outfit eine Stufe aufzuwerten. Wenn es nur kurz zu den Nachbarn zum Kaffeetrinken geht, ist die Krawatte vielleicht zu viel des guten. Anders sieht die Lage schon bei einem dezenten Krawattenschal aus. Der fällt zwar nicht großartig auf, wirkt aber trotzdem edel. Ein wirklich interessanter Schal, vorzugsweise aus Seide, kann den gleichen Effekt haben. Die alte Regel, niemals förmliche und lässige Kleidung zu mischen, kann als überholt gelten.
Überraschung lautet das Zauberwort. Ein Krawattenschal zum Seidenhemd ist keine Überraschung. Zarte Paisleys in Brauntönen zur Jagdweste sind eine. Manschettenknöpfe zu Jeans? Gerne. Einstecktuch zur Lederjacke? Moment mal. Gewagt. Funktioniert aber komischerweise, wenn der Schnitt stimmt. Also eher ein Ledersakko als eine Bikerjacke, und nicht unbedingt schwarz. Je mehr Übung Sie in ungewöhnlichen Kombinationen bekommen, desto mehr können Sie riskieren. Doch Vorsicht. Schließlich soll Ihr Outfit ja aussehen, als ob sie jede einzige noch so feine Kleidungsregel kennen - und es nicht nötig haben, sich sklavisch daran zu halten.
Und nicht, als hätten Sie morgens nur nichts mehr zum Anziehen gefunden.