Förmlich mit Persönlichkeit
Ein Blick in die Straßenbahn zur Rush-Hour kann frustrierend sein. Wie die Ameisen drängen sich dicht an dicht die Finanz-, Verwaltungs- und Versicherungsjongleure im annähernd identischen Anzug. Klassisches Business Black natürlich, also dunkles Anthrazit. Zweiteilig, einreihig. Dazu ein nur leicht hellblaues Hemd, gekrönt von einer dezent gestreiften Krawatte mit breiten Streifen in Blau- und Bordeauxtönen und Aktentaschen aus schwarzem Leder, die offenkundig nur gewählt wurden, um sich nicht mit den schwarzen Oxfords an den Füßen zu beißen (und meist nicht mehr als eine Zeitung und eine Thermoskanne enthalten). Sicher, solide, professionell. Austauschbar. Warum muss Geschäftskleidung eigentlich immer so uniformiert aussehen?
Zugegeben, der klassische Office-Dresscode lässt wenig Raum für stilistische Experimente. Und die Uniformität der Bürogarderobe entbindet davon, sich vor dem Kleiderschrank Gedanken machen zu müssen, was ja schnell in Stress ausarten kann. Als die ersten Unternehmen begannen,den Casual Friday einzuführen, rückte die Belegschaft freitags fast identisch in Khakis und offenem weißen Hemd an, weil es einfach die sichere Variante war. Aber leider eben auch die langweilige.
Um aber nicht nur ganz nett auszusehen, sondern wirklich gut gekleidet, braucht es etwas mehr. Nicht etwas mehr finanziellen Aufwand, nicht mehr Kleidungsstücke, sondern einfach nur etwas mehr Persönlichkeit. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Und gemeint ist keineswegs, dass Sie nun auf einmal immer mit einem pinkfarbenen Schal oder einem bunten Hawaii-Hemd ins Büro gehen sollten. Das dürfte selbst den schmerzfreiesten Kollegen eher früher als später in den Augen brennen. Doch oft genügen schon Kleinigkeiten, um sich wohltuend von der Masse abzuheben.
Die einfachste Methode, etwas Farbe zu bekennen, ist die Krawatte. Gedeckte Farben und schlichte Streifen mögen der Standard sein. Das heißt aber nicht, dass man nicht von Zeit zu Zeit ein wenig davon abweichen kann. Außerdem sind Streifen nicht gleich Streifen. Vertauschen Sie doch einfach einmal die schlichten Businessstreifen mit einem schwungvollen italienischen Streifendesign. Selbst eine einfarbige Krawatte in schlichtem Navyblau kann ein Hingucker sein. Sie fällt aus dem Rahmen, ist dabei aber so geschmackvoll schlicht, dass sie nie unangenehm auffallen wird.
Auch Manschettenknöpfe können eine gute Möglichkeit sein, Stil zu beweisen. Sie sind zwar meist unter dem Ärmel verborgen, doch von Zeit zu Zeit wird man sehen, dass Sie sich nicht mit einer schnöden Sportmanschette begnügt haben. Es müssen ja gar nicht die großen auffälligen Goldbarren mit straußeneigroßen Brillanten sein. Im Alltag sind Sie meist mit etwas Silber oder gar farbig emaillierten Knöpfen besser aufgestellt.
Etwas mehr Mut erfordert ein Einstecktuch. Was in der festlichen Garderobe geradezu unverzichtbar ist, wirkt im Büro zunächst ein wenig ungewohnt. Deshalb sollten Sie nicht unbedingt gleich zu extravaganten Farben oder Mustern greifen. Ein weißes Tuch in Rechteckfaltung ist konservativ, aber elegant. Wenn Sie ein gemustertes oder farbiges Tuch wählen, setzen Sie ausnahmsweise mal nicht auf Kontrast, sondern nehmen ruhig einen etwas dunkleren Farbton. Und auch das nur, wenn Sie wissen, dass Sie damit durchkommen. In mancher konservativen Bank oder Versicherung ist es ein Hauch zu viel des Guten.
Wenn Sie eine wirklich starke Persönlichkeit haben – und nur dann – können Sie sich auch daran versuchen, ein modisches Markenzeichen aufzubauen. Das kann aber auch schiefgehen. Wenn Sie ohnehin das ganze Großraumbüro mit Ihrer puren Anwesenheit füllen, können Sie sich vielleicht sogar eine Blume im Knopfloch oder eine auffällig gemusterte Tagesfliege erlauben. Wenn nicht, ist vielleicht schon das gestreifte Hemd unpassend. Wichtig ist nur eins: ein Markenzeichen zu kopieren oder sich zu einem Accessoire zu zwingen, bringt es nicht. Denn Sie wollen ja schließlich individuell wirken, und nicht so ausnehmend originell wie jeder andere.