Der Pullover
König der Wintermode
Seefahrt war ein harter Broterwerb, gerade im Winter. Auf hoher See pfeift der Wind immer noch etwas kälter. Die Kälte zieht durch jede Ritze, sie zieht einem in die Knochen. Von innen kann man mit einem guten Grog nachhelfen. Von außen ist der Winter unerbittlich. Was lag näher, als sich dagegen zu schützen? Jumper nannte sich der Überzieher, der zuerst unter Matrosen einen Höhenflug erlebte. Er war elastisch, warm, flexibel. Und er bot eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten, denn Muster waren im 19. Jahrhundert einfacher zu stricken als zu weben. Manche daheim gebliebene Ehefrau strickte ihrem Gatten gar eine Haarsträhne als Glücksbringer mit in den Stoff. So traditionelle Designs wie Norweger- oder Aranmuster hatten hingegen einen rein praktischen Zweck: Sank ein Schiff, konnte man anhand des Familienmusters die angespülten Leichen identifizieren.
Was schützende Berufskleidung für Seeleute war, sollte mit Umwegen über den Sport zu einem der größten modischen Dauerbrenner aller Zeiten werden. Beim Reiten, Golfen und Radfahren erwies sich der Sweater als die perfekte Sportbekleidung. Bald hielt er als Pullover Einzug in die Freizeitgarderobe. Die Herkunft des Wortes ist schnell erklärt: ein „pull over“ wird einfach über den Kopf gezogen.
In den 1950'er Jahren wurde der Pullover gar zum Zeichen des Protestes gegen eine oberflächliche Welt und das Geworfensein darin. Existentialisten wie Jean Paul Sartre und Albert Camus trugen gelegentlich Rollkragen, und eine riesige Anhängerschar von Philosophen und Künstlern folgte ihnen. Der Rollkragenpullover jener Epoche war schwarz und minimalistisch. Man betonte damit nicht nur seine Tiefsinnigkeit, sondern auch seinen Pessimismus. Von den gesetzten Kathederwissenschaftlern in Anzug und Krawatte wollte man sich absetzen. In intellektuellen Kreisen wurde der schwarze Rollkragenpullover eine Zeit lang fast zur Uniform. Massen von angepassten Nonkonformisten stellten im Gleichschritt ihre Individualität damit heraus. Auch Musiker wie Herbert von Karajan und Leonard Bernstein trugen ihn, hier allerdings demonstrativ zum Anzug als Bestandteil der Abendgarderobe.
Während sich die formelle Herrenmode immer noch schwer tut mit Pullover, Pullunder und Konsorten, sind sie aus der Alltagsmode nicht mehr wegzudenken. Es muss ja nicht immer der dicke gestrickte Norwegerpullover sein. Der hat zwar seinen eigenen Charme, ist aber sehr rustikal. Zum gepflegten Casual-Style passt ein leichter Pullover aus Merinowolle oder Kaschmir besonders gut. Angesagte Farben sind momentan Pastelltöne wie Flieder oder Rosé, aber auch Maisgelb. Wer es klassischer mag, greift zu navy oder dunkelgrau. Darunter gehört im Zweifelsfall ein klassisches Hemd. Auf Manschettenknöpfe dürfen Sie ruhig verzichten. Sie drücken sich am Ärmel nur unnötig ab. Gerade der klassische V-Kragen hat aktuell wieder ein Comeback. Der Vorteil: man kann ihn mit Krawatte tragen. Das mag den Vertretern der reinen Modelehre zwar als ungeheurer Akt der Rebellion erscheinen, ist aber durchaus modern. Ist die Krawatte schmal, oder haben Sie sich für eine schwarze Krawatte entschieden, können Sie diesem Stil durchaus etwas laufstegartiges verleihen. Doch auch ein Krawattenschal kann zu einem modischen V-Neck sehr elegant aussehen.Auch ein Rundkragenpullover in dunklen Farben wirkt edel. Allerdings sollten Sie in diesem Fall auf die Krawatte verzichten. Man wird ohnehin nur ihren Abdruck wahrnehmen.